

Nebennierenschwäche erkennen und natürlich behandeln
Stehen wir unter Stress, bildet der Körper in den Nebennieren vermehrt das Stresshormon Cortisol. Hält die Belastung an, kann es jedoch passieren, dass die Nebennieren erschöpfen. In der Folge kommen wir mit stressigen Situationen immer schlechter zurecht. Durch Änderungen in der Lebensführung, die Anwendung bestimmter Pflanzenstoffe und eine homöopathische Konstitutionsbehandlung können die Nebennieren entlastet und gezielt gestärkt werden.
Interview mit Markus Breitenberger – Heilpraktiker in München
DG: Lieber Herr Breitenberger, wie macht sich eine Nebennierenschwäche bemerkbar? Welche Symptome sind typisch?
Markus Breitenberger: Zunächst einmal kommen die Menschen erschöpft mit einem zunehmenden Gefühl der Überforderung in meine Praxis. Neben der körperlichen Schwäche belastet sie vor allem eine Abnahme der Konzentrationsfähigkeit, die im Englischen treffend als „brain fog“ – „Gehirnnebel“ bezeichnet wird. Die Beschwerden werden durch eine gestörte Regenerationsfähigkeit in Verbindung mit Ein- und Durchschlafstörungen verstärkt. Typischerweise erwachen die Betroffenen zwischen zwei bis vier Uhr nachts. In der Folge leidet das Immunsystem und es kommt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit mit längerer Rekonvaleszens. Das sind wohl die augenscheinlichsten Symptome, die aber noch mit einer ganzen Reihe unauffälliger Zeichen einhergehen. Leider werden diese oft vom Patienten und auch von vielen Ärzten und Heilpraktikern nicht als Ausdruck einer Nebennierenschwäche erkannt. Das können sein: Schwindel, dünne und strähnige Haare, dünne und spröde Fingernägel, schwache und überdehnbare Gelenke und Bänder, Menstruationsbeschwerden und vieles mehr.
DG: Welche Laborparameter können bestimmt werden?
M.B.: Eine Nebennierenschwäche lässt sich am besten mit einem Cortisol-Speicheltest nachweisen. Die Ausschüttung von Cortisol unterliegt beim gesunden Menschen einer ausgeprägten Tagesrhythmik mit einem Maximum am Morgen und einem Minimum um Mitternacht. Zusätzlich könnte noch der DHEA-Wert einmal am Morgen und am späten Abend im Speichel bestimmt werden. DHEA (Dehydroepiandosteron) ist der Gegenspieler von Cortisol. Es senkt die Stressbereitschaft. In der Erschöpfungsphase der Nebenniere ist dieser Wert dann auch zu niedrig. Mir reichen in meiner Praxis meist die subjektiven Symptome und der Speicheltest für eine erste orientierende Diagnose aus. Oft genügt schon der Krankheitsbericht des Patienten, allerdings sollte man als Behandler genau wissen, wonach man fragen muss, um eine Nebennierenschwäche frühzeitig zu erkennen.

DG: Sie erwähnten soeben die „Erschöpfungsphase“. Wie verläuft die Erkrankung?
M.B.: Eine Nebennierenschwäche verläuft in vier Phasen, wobei die Unterschiede vor allem in der Cortisolproduktion zu erkennen sind. Im Anfangsstadium ist auch die nächtliche Cortisolproduktion gesteigert und die Speichelproben zeigen deutlich erhöhte Cortisolwerte am Morgen. In der zweiten Krankheitsphase bleibt der Cortisolspiegel über den gesamten Tag hoch, ohne eine Rhythmik erkennen zu lassen. In einem noch fortgeschrittenerem Stadium ist der morgendliche Cortisolwert erniedrigt. Hier beginnt die eigentliche Erschöpfungsphase der Nebennieren. Unbehandelt folgt dann die vierte Krankheitsphase mit konstant erniedrigten Cortisol- und DHEA-Werten.
Extrawissen Nebennieren

Die Nebennieren liegen am oberen Ende der Nieren und bestehen aus der äußeren Nebennierenrinde und dem innenliegenden Nebennierenmark. Speziell in der Nebennierenrinde werden verschiedene Hormone wie zum Beispiel das Stresshormon Cortisol gebildet. Wichtig ist zu wissen, dass die Nebennieren in einen Regelkreis eingebunden sind, das heißt sie bekommen von übergeordneten Systemen wie der Hypophyse und dem Hypothalamus Signale. Eine Störung der Nebennierenrindenfunktion kann sich entweder in einer übermäßigen oder mangelhaften Bildung von Hormonen äußern.
DG: Gibt es Faktoren, welche die Entstehung einer Nebennierenschwäche begünstigen?
M.B.: Auf jeden Fall! In allererster Linie sind hier Lebensumstände zu nennen, die mehr von Stress als Müßiggang geprägt sind. Ehrlich gesagt, wundert es kaum, dass die Nebennierenrinde als hormonbildendes und stressregulierendes Organ bei Dauerstress, sei es auf gesellschaftlicher, beruflicher oder privater Ebene, irgendwann erschöpft. Dazu wirken all die Kompensationsstrategien, die uns eine schnelle Erholung vorgaukeln, wie Alkohol, Nikotin und Medienkonsum, zusätzlich schwächend, insbesondere dann, wenn die Ernährung ungesund und vitalstoffarm ist.

DG: Reagieren alle Menschen gleich oder gibt es welche, die anfälliger für Stress und damit für eine Nebennierenschwäche sind?
M.B.: Natürlich reagieren nicht alle Menschen gleich auf Stress. Die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit eines Menschen gegenüber psychischen Krisen und sozialen Konflikten und die Resistenz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren wie Infektionen, Krankheiten oder klimatischen Verhältnissen spielen hier eine Rolle. Resilienz und Resistenz sind durch individuelle, genetisch verankerte Muster angelegt und beruhen ebenso auf erlernten Ressourcen, die wesentlich durch frühkindliche Bindungserfahrungen gewonnen werden. Und ja, es gibt Menschen, die entweder durch transgenerationale oder eigene biographische Stresserfahrungen geschwächt sind und dadurch weniger Widerstandskraft aufweisen.

DG: Wie gehen Sie therapeutisch vor? Welche Behandlungsmethoden kommen zum Einsatz?
M.B.: Ein erfolgreiches Behandlungskonzept der Nebennierenschwäche besteht in meiner Praxis aus folgenden Bausteinen:
- Homöopathische Konstitutionsbehandlung: In der homöopathischen Anamnese sind die Symptome, wie sie für eine Nebennierenschwäche typisch sind, eigentlich unbrauchbar. Die Eigenheiten eines Menschen, in welcher besonderen Art und Weise dieser Mensch im Leben steht, seine unverkennbare Weise zu denken, zu fühlen und zu handeln, sind hier die Kriterien, ob das eine oder das andere homöopathische Mittel verschrieben wird.
- Unterstützung durch adaptogene Heilpflanzen: Die Anwendung von pflanzlichen Adaptogenen wie Schlafbeere (Ashwaganda), Sibirische Taigawurz (Eleutherococcus senticosus), Rosenwurz (Rhodiola Rosea) oder Koreanischer Ginseng (Panax Ginseng) kann die Stresstoleranz erhöhen.
- Gesunde und vitalstoffreiche Ernährung: Die Ernährung ist neben der Lebensführung der zentrale Punkt, an dem Patienten mitwirken können, damit es ihnen bald wieder besser geht. Man sollte Fastfood, Snacks, stark verarbeitete sowie weißmehlhaltige Lebensmittel, Süßigkeiten und Kaffee meiden. Besser sind Fisch, Gemüse mit hohem Natriumanteil (schwarze Oliven, rote Paprika, Spinat, Zucchini und Sellerie), Nüsse, Körner und Samen sowie Hafer, hochwertige Milchprodukte und frische, kaliumarme Früchte mit geringem Zuckergehalt. Die Nahrungsaufnahme sollte auf drei bis vier Mahlzeiten während des Tages verteilt werden. Und für alle Intervallfaster ist es wichtig, den Tag unbedingt mit einem guten Frühstück zu beginnen. Fehlt das Frühstück, kommt es schon morgens zu einer völlig unnötigen Erhöhung des Cortisolspiegels, weil Fasten für den Organismus Stress bedeutet.
- Körperliche Bewegung: Bewegung ist neben Lebensführung und Ernährung die dritte Säule, auf die Patienten bauen können, wenn sie den gestressten Körper und Geist wieder in Balance bringen möchten. Ich empfehle hier sämtliche Ausdauersportarten wie Nordic Walking, Schwimmen, Joggen und auch Kraft- und Gerätetraining. Aber auch Spaziergengehen oder Tanzen haben positive Effekte. Wichtig ist, dass Sie die gewählte Bewegungsart ohne Konkurrenz- und Zeitdruck möglichst an der frischen Luft und in angenehmer Atmosphäre gerne machen – am besten mit einem Lächeln auf den Lippen.

Ich konsumiere weniger und genieße mehr.
DG: Lieber Herr Breitenberger, vielen Dank für das Interview. Was möchten Sie unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
M.B.: Ich bin kein „Psychoratgeber“ und glaube nicht zu wissen, was für andere gut ist. Ich kann aber sagen, was mir selbst dabei geholfen hat, wieder der Mittelpunkt in meinem Leben zu werden: Ich erlaube mir, mich und meine Gefühle zu spüren und zu zeigen. Ich gönne mir Muße für die Dinge, die ich vermutlich irgendwann am meisten vermissen würde. Ich nehme mir Zeit für Kontakt zu lieben Menschen. Ich konsumiere weniger und genieße mehr. Das kommt mir, meiner Familie, der Umwelt und meinen Patienten zugute und schafft mehr Freude als Stress.
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